Ostfriesland/Berlin/Hannover. „Weniger ökonomischer Druck für Kliniken, bessere Versorgungsqualität – flächendeckend in ganz Deutschland.” Das verspricht die Bundesregierung bezüglich ihrer Krankenhausreform, mit der sie „die Klinikversorgung zukunftssicher aufstellen” möchte. „Das entsprechende Gesetz ist nun in Kraft getreten”, meldete die Regierung am 12. Dezember 2024.
„Viele Krankenhäuser in Deutschland befinden sich in einer angespannten wirtschaftlichen Lage”, informiert die Regierung weiter. „Ein Kernpunkt der Reform ist es, das bisherige Vergütungssystem der Fallpauschalen anzupassen. Damit sollen Kliniken von dem finanziellen Druck befreit werden, immer mehr Fälle erbringen zu müssen. Stattdessen sollen sie künftig einen Großteil der Vergütung für das bloße Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen.”
„Existenzgarantie” für „notwendige Kliniken”
Das Bundesgesundheitsministerium führt aus: „Das System der Fallpauschalen wird weitgehend ersetzt. Notwendige Kliniken erhalten zukünftig zusätzlich Vorhaltepauschalen. Das heißt sie bekommen eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten.”
Der Bundestag berichtete auf seiner Internetseite über den (damaligen) Gesetzentwurf der Bundesregierung: „Das derzeit auf Fallpauschalen (DRG) basierende System der Krankenhausvergütung sei stark mengenorientiert. Für die Kliniken bestehe ein ökonomischer Anreiz, möglichst viele Patienten zu behandeln. Künftig sollen 60 Prozent der Betriebskosten über eine Vorhaltepauschale abgegolten werden. Die Mittel für die Vorhaltevergütung würden generiert, indem die Fallpauschalen abgesenkt werden, heißt es in dem Entwurf.” Und: „Die Krankenhäuser erhalten die Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen, die ihnen von der Planungsbehörde der jeweiligen Länder zugewiesen werden. Die insgesamt 65 Leistungsgruppen sind mit Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen verknüpft. So soll sichergestellt werden, dass Krankenhäuser ein bestimmtes Maß an technischer Ausstattung, qualifiziertes Personal und die erforderlichen Fachdisziplinen aufweisen.”
Millionen für niedersächsische Krankenhäuser
„Niedersachsen hat bereits in die Krankenhauslandschaft investiert”, verkündete das Gesundheitsministerium in Hannover Ende 2024. „Mit der Investitionsoffensive fördert Niedersachsen die Transformation der Krankenhauslandschaft allein in 2024 mit über 500 Millionen Euro. Zugleich stellt der Bund im Rahmen der Krankenhausreform einen Transformationsfond zur Verfügung, der ein Gesamtvolumen in Höhe von 50 Milliarden Euro umfasst. Die Bundesländer übernehmen dabei die Hälfte der Kosten.”
„Auf Niedersachsen würden dann insgesamt 5 Milliarden Euro entfallen”, schreibt das Landesministerium. „Davon wären 2,5 Milliarden Euro aus Landesmitteln zu finanzieren.” Niedersachsen habe sich dafür eingesetzt, „dass die Sicherstellungshäuser noch besser unterstützt werden”. Das Ministerium erklärt: „Sicherstellungshäuser sind Krankenhäuser der Grundversorgung, die sich in Regionen mit geringer Versorgungsdichte und in ländlichen Gebieten befinden, um dort die stationäre Versorgung zu gewährleisten. Sie erhalten einen Sicherstellungszuschlag, damit die wirtschaftliche Existenz dieser Häuser gesichert werden kann. Zudem wird die Definition von Sicherstellungshäusern angepasst, sodass zukünftig für die Zuschläge mehr Krankenhäuser infrage kommen.”
Es sollen Krankenhausbetten abgebaut werden
Niedersachsens Gesundheitsministerium bereitet aber auch auf den Abbau von Krankenhaus-Kapazitäten vor: „Die weiterhin hohen Überkapazitäten an Krankenhausbetten von rund 30 Prozent im Jahr 2023 zeigen, dass eine Neustrukturierung unvermeidbar ist. Es gilt, die Überkapazitäten abzubauen und die gewonnenen personellen und finanziellen Ressourcen zur Versorgungsverbesserung für die Patientinnen und Patienten einzusetzen.”
Überkapazitäten? Mit Blick auf die Corona-Pandemie könnte man auch umgekehrt zu dem Ergebnis kommen, dass Krankenhaus-Reserven erforderlich sind – für Katastrophen aller Art.
In Ostfriesland ist eine strukturelle Veränderung nicht nur geplant, sondern bereits im Bau: Die Krankenhäuser Aurich und Emden werden in einer Zentralklinik in Uthwerdum zusammengefasst. Der dritte Standort des Klinikverbundes Aurich-Emden-Norden ist bereits kein Akut-Krankenhaus mehr, also vom medizinischen Angebot her zurückgebaut.
In Leer gibt es zwei Krankenhäuser in einer Stadt
Was mit Blick auf die ostfriesische Klinik-Landkarte auffällt: In Leer gibt es noch zwei Krankenhäuser in einer Stadt. Das könnte – mit Blick auf die Ziele der Krankenhausreform – als Doppelstruktur eingeordnet werden. Es könnte also passieren, dass mit (Druck-)Mitteln der Krankenhaus-Finanzierung eine Fusion der beiden Kliniken (an einem oder zwei Standorten) oder eine engere Kooperation angestrebt wird.
Im Landkreis Leer gibt es das „Projekt Gesundheitsregion”. Laut Kreisverwaltung geht es um Folgendes: „Ärzte, Krankenhäuser und weitere Gesundheitsberufe sollen zum Wohl der Patienten zusammenarbeiten.” An der Gesundheitsregion beziehungsweise ihrer Steuerungsgruppe sind demnach unter anderem die Geschäftsführungen des Klinikums Leer und des Borromäus-Hospitals beteiligt.
Die Gewinne und Verluste ostfriesischer Kliniken
Wie sind die vier Krankenhaus-Unternehmen in Ostfriesland mit den bisherigen Finanzierungsregeln zurechtgekommen? Unterschiedlich. Das Klinikum Leer hat Millionen-Gewinne erwirtschaftet, der Klinikverbund Aurich-Emden-Norden Millionen-Verluste.
Die Trägergesellschaft der Kliniken Aurich und Emden (und bis vor einiger Zeit auch Norden) ist seit dem Jahr 2018 ein Konzern. Das heißt, seit dem Geschäftsjahr 2018 sind die Anteile des Emder und des Auricher Klinik-Unternehmens auf die Trägergesellschaft übertragen worden.
Von 2018 bis 2023 kam der Klinikverbund auf Jahresverluste in einer Gesamthöhe von rund 89 Millionen Euro. Für das Geschäftsjahr 2024 sind in der Jahresbilanz 2023 weitere 20 Millionen Euro Defizit angekündigt.
Zum Vergleich: Das Klinikum Leer erzielte von 2018 bis 2022 einen Gewinn von 24,2 Millionen Euro.
Die Jahresabschlüsse des Krankenhauses Wittmund und des Leeraner Borromäus-Hospitals bewegten sich zwischen den Ergebnissen des Klinikums Leer und des Klinikverbunds Aurich-Emden-Norden. Das Borromäus-Hospital hatte in den vergangenen Jahren mit Ausnahme des Jahres 2021 immer positive Zahlen – im Jahr 2016 sogar ein Plus von mehr als drei Millionen Euro. Das Wittmunder Krankenhaus war zwar seit 2005 meist im Minus-Bereich – aber unter einer Million Euro. In den Jahren 2020 und 2021 verbuchte es leichte Gewinne.
Es folgt ein Überblick über die Jahresergebnisse:
Kliniken in Ostfriesland – Gewinne und Verluste (in €)
Bilanzjahr | Klinikum Leer | Borromäus- Hospital | Krankenhaus Wittmund | Klinikverbund Aurich-Emden- Norden | Ubbo-Emmius- Kliniken Aurich-Norden | Hans-Susemihl-Krankenhaus |
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2005 | 132.467,23 | 326.283,86 | -544.730,03 | – | -260.799,58 | -1.973.154,74 |
2006 | 220.380,09 | 608.506,65 | -430.039,83 | – | 488.731,61 | -1.553.815,58 |
2007 | 673.375,06 | 362.829,40 | -338.312,90 | – | 207.696,64 | -1.338.474,17 |
2008 | 1.330.142,04 | 502.315,24 | -611.390,80 | – | 22.232,77 | -1.076.180,25 |
2009 | 985.331,81 | 1.023.652,38 | -334.391,79 | – | 9.710,23 | -1.109.080,13 |
2010 | 1.498.518,78 | 1.233.496,14 | -297.789,86 | – | 23.125,47 | -899.609,05 |
2011 | 1.200.895,69 | 270.556,16 | -596.147,37 | – | -6.869.626,86 | -1.656.557,84 |
2012 | 1.440.241,13 | 168.665,04 | -698.207,46 | – | -12.932.823,26 | -3.006.405,05 |
2013 | 2.220.048,39 | 210.644,55 | -484.468,97 | – | -11.482.260,70 | -3.492.651,73 |
2014 | 4.835.440,67 | 504.853,01 | -588.989,45 | – | -10.199.818,05 | -4.680.261,94 |
2015 | 2.690.959,45 | 83.390,75 | -836.076,99 | -5.087,12 | -10.841.069,78 | -4.787.081,58 |
2016 | 7.728.448,18 | 3.127.937,41 | -740.522,09 | -316.318,53 | -13.897.829,82 | -2.056.089,30 |
2017 | 3.122.295,54 | 85.461,18 | -584.032,25 | -1.271.019,11 | -8.986.356,63 | -3.289.821,11 |
2018 | 4.877.139,63 | 355.419,33 | -329.143,23 | -4.943.849,23 | -7.470.910,35 | -2.962.653,40 |
2019 | 3.780.491,17 | 52.409,83 | -131.826,86 | -14.390.560,24 | -7.938.801,15 | -6.175.003,89 |
2020 | 7.248.207,70 | 163.762,45 | 145.453,03 | -11.440.209,63 | -3.967.465,75 | -5.839.377,47 |
2021 | 3.412.640,80 | -291.663,58 | 201.399,65 | -12.199.001,07 | -5.240.555,30 | -6.110.072,30 |
2022 | 4.886.126,55 | 186.331,90 | -457.585,12 | -17.252.182,82 | -9.195.007,04 | -7.122.391,03 |
2023 | – | 309.860,15 | -516.336,25 | -28.780.009,94 | -15.557.621,48 | -11.712.673,43 |
Ausblick 2024 | – | – | – | -20.873.000,00 | – | – |
Quellen: Jahresabschlüsse der Krankenhaus-Unternehmen. Hinweis: Beim Klinikverbund Aurich-Emden-Norden handelt es sich ab dem Jahr 2018 um einen Konzernabschluss, „da mit Verträgen vom 21. August 2018 die Stadt Emden und der Landkreis Aurich ihre Anteile an der Klinikum Emden Hans-Susemihl-Krankenhaus gGmbH, Emden, und an der Ubbo-Emmius-Klinik gGmbH, Aurich, auf das Mutterunternehmen übertragen haben”. |
Das Borromäus-Hospital Leer ist ein kirchlich getragenes Krankenhaus. Alle anderen Klinik-Unternehmen in Ostfriesland sind in öffentlicher Hand. Das Klinikum Leer gehört dem Landkreis Leer, das Krankenhaus Wittmund dem Landkreis Wittmund – der Klinikverbund Aurich-Emden-Norden gehört dem Landkreis Aurich und der Stadt Emden.