Die Kriegserklärung von CDU und CSU an die demokratische Zivilgesellschaft – eine Gefahr für die Konrad-Adenauer-Stiftung?

Erst sind CDU und CSU im Bundestag gescheitert, mit der rechtsextremen AfD das "Zustrombegrenzungsgesetz" durchzukriegen – dann hat sich die "Union" über Massendemonstrationen gegen ihren demokratiegefährdenden Tabubruch geärgert. Anlass für "Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion" die demokratische Zivilgesellschaft in einer "Kleinen" Anfrage mit 551 Fragen an die Bundesregierung zu attackieren. CDU und CSU nehmen rund 20 Vereine und Gesellschaften ins Visier – mit manchen von ihnen hat die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung zusammengearbeitet. Eine kommentierende Analyse.
26. Februar 2025, 12:40 Uhr

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So präsentierte sich die Bundestagsfraktion von CDU und CSU mit Friedrich Merz und Markus Söder nach der Bundestagswahl 2025 auf ihrer Internetseite. Quelle: https://www.cducsu.de / Screenshot: 26.02.2025
So präsentierte sich die Bundestagsfraktion von CDU und CSU mit Friedrich Merz und Markus Söder nach der Bundestagswahl 2025 auf ihrer Internetseite. Quelle: https://www.cducsu.de / Screenshot: 26.02.2025

Deutschland. Es war ein Freitag, der 31., als CDU und CSU den „Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland” in den Bundestag einbrachten. Eine darin präsentierte „Lösung” zur Begrenzung von Zuwanderung, in der Christdemokraten und Christsoziale ein Problem sehen: „Angesichts der Aufnahme von mehr als 1,8 Millionen Asylbewerbern und Ukraine-Flüchtlingen seit Anfang 2022 sind die Integrationskapazitäten in Deutschland auf absehbare Zeit in einem Maße erschöpft, dass der Familiennachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz bis auf weiteres zu beenden ist.”

So wollten CDU, CSU und AfD das Land um bis zu 12.000 Zuwanderer pro Jahr entlasten

Die „Union” will damit eine Einwanderung von maximal 12.000 Ausländern pro Jahr verhindern, wie aus ihrem Gesetzesentwurf hervorgeht: „Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten (Bundestagsdrucksache 192438) wurde im Sommer 2018 beschlossen, aus humanitären Gründen 1.000 Personen pro Monat den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten zu ermöglichen. Dieses Kontingent wurde beispielsweise im vergangenen Jahr nahezu ausgeschöpft: Im Jahr 2023 wurden durch das Bundesverwaltungsamt, das für die Einhaltung des Kontingents sorgt, 11.630 Zustimmungen zur Ausgabe von Visa für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten erteilt.”

Wie sehr entlastet es ein Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen, wenn pro Jahr bis zu 12.000 Familienangehörige von Ausländern, die in Deutschland leben, nicht mehr zuwandern dürfen? In Deutschland gibt es 400 Land- und Stadtkreise. 12.000 geteilt durch 400 – das sind 30 Leute pro Kreis und Jahr, die einwandern dürfen. Oder eben auch nicht?

Diese Zuwanderungsbegrenzung haben CDU und CSU mit Stimmen der FDP und der rechtsextremen AfD nicht durchbekommen. Da „Christdemokraten” und „Christsoziale” es aber versucht haben, mit Hilfe von Rechtsextremen ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen, gingen Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger auf die Straße. Weil sie sich 85 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft um die Demokratie in Deutschland sorgen.

Eine „Kleine Anfrage” von CDU und CSU – 32 Seiten und 551 Fragen lang

Das nahmen „Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion” einen Tag nach der Bundestagswahl zum Anlass, eine 32 Seiten lange „Kleine Anfrage” an die Bundesregierung zu richten – wohingegen ihr „Zustrombegrenzungsgesetz”-Entwurf nur zwölf Seiten lang war. In 551 Fragen geht es um die „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen”.

CDU und CSU meinen: „Die Frage nach der politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen sorgt aktuell zunehmend für Debatten.” Hintergrund seien „Proteste gegen die CDU Deutschlands, die teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden”.

Merz, Dobrindt und Co. sind der Meinung: „Dies wirft die Frage auf, inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden.” Denn: „Laut der Abgabenordnung ist eine Körperschaft gemeinnützig, wenn sie gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt und dabei nicht parteipolitisch agiert.” Und: „Nach Auffassung der Fragesteller stellen die Proteste gegen die CDU Deutschlands eine gezielte parteipolitische Einflussnahme unmittelbar vor der nächsten Bundestagswahl dar, was nicht mehr vom Gemeinnützigkeitsrecht gedeckt ist.”

CDU, CSU und AfD arbeiten sich am Bundesprogramm „Demokratie leben!” ab

Zudem erscheint es der Bundestagsfraktion von CDU und CSU „zweifelhaft, dass etwaige Förderprogramme, die die betroffenen Vereine in ihrer gemeinnützigen Arbeit unterstützen sollen, ihren Zweck erfüllen”. Als Beispiel nennen Merz und Dobrindt das „Bundesprogramm ‚Demokratie leben!’, dass einige Organisationen finanziell fördert, die an den Demonstrationen beteiligt waren”. Staatlich finanzierte Organisationen müssten ihre politische Neutralität wahren, schreibt die Union in der Anfrage: „Eine direkte oder indirekte Wahlkampfunterstützung – sei es für oder gegen eine Partei – ist mit dem Grundsatz der Chancengleichheit nicht vereinbar. Hingegen dürfen gemeinnützige Organisationen durchaus politische Bildungsarbeit leisten, solange sie nicht gezielt parteiergreifend agieren.”

Die Kritik an der Einflussnahme gemeinnütziger Organisationen gehe „jedoch über einzelne Proteste hinaus”, schreiben Merz und Dobrindt: „Manche Stimmen sehen in den NGOs” – also Nichtregierungsorganisationen – „eine Schattenstruktur, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt. Laut einem Bericht der ‚Welt’ erhalten zahlreiche NGOs, die sich öffentlich politisch links positionieren, finanzielle Mittel aus Ministerien. Dies stellt ein Spannungsverhältnis dar, denn wenn diese Organisationen aktiv in politische Meinungsbildung eingreifen, könnte dies ein Verstoß gegen die demokratische Grundordnung sein.”

Haben CDU und CSU ein weiteres Thema gefunden, bei dem sie mit der AfD im Gleichschritt marschieren können? Die AfD-Bundestagsfraktion thematisierte das Bundesprogramm „Demokratie leben!” unter anderem in einer „Kleinen Anfrage” mit nur vier Seiten Umfang. Sie trägt das Datum vom 8. Mai 2024 – dem Jahrestag der Wehrmachts-Kapitulation anno 1945, die das Ende des Zweiten Weltkriegs markierte.

Die AfD schreibt: „Dennoch steht die Vergabepraxis von ‚Demokratie leben!’ immer wieder wegen ihrer nach Auffassung der Fragesteller einseitigen Ausrichtung in der Kritik. In einem Gastbeitrag für das Magazin ‚Focus’ schrieb der bekannte Historiker Hubertus Knabe im April 2024, das Bundesprogramm sei zu einem ‚Selbstbedienungsladen für rot-grüne Institutionen’ geworden. Obwohl die Zahl linker und rechter Extremisten in Deutschland etwa gleich hoch sei, sei beispielsweise im Jahr 2022 der Großteil der insgesamt vergebenen 182 Mio. Euro in Projekte zur Bekämpfung von Rechtsextremismus geflossen.”

Während sich „Dr. Alice Weidel, Tino Chrupalla und Fraktion” mit insgesamt 20 Fragen begnügten, stellen „Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion” 33 Fragen alleine zur Amadeu-Antonio-Stiftung. Die Amadeu-Antonio-Stiftung schreibt in ihrer Selbstdarstellung auf ihrer Internetseite: „Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet.”

Die Amadeu-Antonio-Stiftung nahm zu CDU und AfD Stellung

Am 29. Januar 2025 veröffentlichte die Stiftung eine Stellungnahme auf ihrer Internetseite: „Die Amadeu Antonio Stiftung ist entsetzt darüber, dass CDU-Chef Friedrich Merz für asyl- und migrationspolitische Anträge im Bundestag auch Stimmen der AfD in Kauf genommen hat. In der letzten Sitzungswoche des Bundestags bringt die CDU zwei Entschließungsanträge und einen Gesetzesentwurf ein, der eine erschreckende Liste von rechtswidrigen und problematischen Vorschlägen enthält: von Zurückweisungen an den Binnengrenzen über unbegrenzte Abschiebungshaft bis hin zum Stopp des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Dieses Vorgehen von Merz untergräbt dessen frühere Beteuerungen der sogenannten ‚Brandmauer’ der CDU gegenüber jeder Art von Extremisten und stellt eine gefährliche Normalisierung rechtsextremer Positionen dar. Vielmehr machen sich Friedrich Merz und die CDU rassistische Argumentationen zu eigen, anstatt sich mit den Bedingungen und Ausgangspunkten für Attacken wie die in Kiel oder Aschaffenburg auseinanderzusetzen und nach Lösungen zu suchen. Es ist unerträglich, wie diese Taten entweder mit einem menschenverachtenden politischen und medialen Tenor instrumentalisiert oder kaum wahrgenommen werden, wie im Falle des Messerangriffs in Kiel.” 

Weiter schreibt die Amadeu-Antonio-Stiftung: „Zahlen aus aktuellen Umfragen zeigen, dass auch eine Mehrheit der Personen mit CDU-Wahlabsicht die AfD als die größte Gefahr für die Demokratie ansieht. Eine Partei, die für Rassismus, Antisemitismus und autoritäre Fantasien steht, kann niemals akzeptabler politischer Partner in einer Demokratie sein – weder direkt noch indirekt. Die sogenannte ‚Brandmauer’ der Union gegenüber der AfD war bislang ein wichtiges demokratisches Bollwerk. Dieses nun aus wahltaktischen Überlegungen zu schleifen, sendet das fatale Signal, dass Grundsätze im Zweifel für politische Vorteile geopfert werden können. Unsere Demokratie darf jedoch nicht der kurzfristigen Kalkulation einzelner Parteien geopfert werden.” 

Abschließend heißt es in der Stellungnahme der Amadeu-Antonio-Stiftung: „Die Antwort der Amadeu Antonio Stiftung auf diese Entwicklungen ist klar: Niemals wieder darf der Weg zu politischer Macht über Allianzen mit Menschenfeinden führen. Unsere Demokratie ist keine Verhandlungsmasse für Wahltaktiken. Es ist niederträchtig, Rassismus gegenüber Schutzbedürftigen als Katalysator für kleinste politische Landgewinne zu instrumentalisieren.”

Die Amadeu-Antonio-Stiftung geriet ins Visier von CDU und CSU

Mit diesem Engagement hat die Amadeu-Antonio-Stiftung offenbar den Zorn von CDU und CSU auf sich gezogen. Es folgen die Fragen mit den Nummern 120 bis 152 aus der „Kleinen Anfrage” der beiden selbsternannten christlichen Parteien:

  • 120. Erfüllt die Amadeu Antonio Stiftung aus Sicht der Bundesregierung aus schließlich gemeinnützige Zwecke gemäß der Abgabenordnung (§ 52 AO) und wenn ja, welche?
  • 121. Wie definiert die Amadeu Antonio Stiftung seine gemeinnützigen Tätigkeiten und wie grenzt es sich von parteipolitischer Einflussnahme ab?
  • 122. Gibt es Fälle, in denen die Amadeu Antonio Stiftung explizit für oder gegen eine Partei geworben hat?
  • 123. Wann wurde die Gemeinnützigkeit der Amadeu Antonio Stiftung letztmalig durch das zuständige Finanzamt geprüft?
  • 124. Wurde die Amadeu Antonio Stiftung in der Vergangenheit wegen parteipolitischer Betätigung abgemahnt oder verwarnt?
  • 125. Wie groß ist der Anteil der finanziellen Mittel der Amadeu Antonio Stiftung, der aus staatlichen Förderprogrammen stammt?
  • 126. Wie hoch ist der Anteil der Spenden aus der Wirtschaft oder von parteinahen Stiftungen an die Amadeu Antonio Stiftung?
  • 127. Gibt es direkte Verbindungen zwischen der Amadeu Antonio Stiftung und bestimmten Parteien oder politischen Akteuren?
  • 128. Haben Vorstände oder Führungspersonen der Amadeu Antonio Stiftung
    politische Ämter oder enge Verbindungen zu Parteien?
  • 129. Inwiefern beeinflusst die Amadeu Antonio Stiftung politische Entscheidungsprozesse oder Gesetzesvorhaben nach Einschätzung der Bundesregierung?
  • 130. Gibt es Hinweise darauf, dass die Amadeu Antonio Stiftung gezielt gegen bestimmte Parteien oder Politiker Kampagnen führt?
  • 131. Unterstützt die Amadeu Antonio Stiftung politische Demonstrationen oder Proteste mit ihren finanziellen Mitteln?
  • 132. Werden staatliche Fördergelder, die die Amadeu Antonio Stiftung vereinnahmt hat, nach Einschätzung der Bundesregierung für parteipolitische Zwecke zweckentfremdet?
  • 133. Gibt es Kooperationen zwischen der Amadeu Antonio Stiftung und parteinahen Stiftungen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Heinrich Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Desiderius-Erasmus-Stiftung?
  • 134. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse dazu, dass Parteien Einfluss auf die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Amadeu Antonio Stiftung haben, und wenn ja, welche?
  • 135. Gibt es Verbindungen zwischen der Amadeu Antonio Stiftung und Regierungsbehörden, die ihre Finanzierung sicherstellen?
  • 136. Welche öffentlichen Fördermittel erhält die Amadeu Antonio Stiftung und aus welchen Einzelplänen stammen sie?
  • 137. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die Amadeu Antonio Stiftung von internationalen Organisationen oder NGOs aus dem Ausland Gelder erhält, und wenn ja, welche sind das und wie viel?
  • 138. Verwendet die Amadeu Antonio Stiftung Drittmittel oder Projektfinanzierungen ausschließlich für gemeinnützige Zwecke, und wenn ja, welche?
  • 139. Hat die Amadeu Antonio Stiftung in den letzten Jahren eine Erhöhung oder Kürzung staatlicher Mittel erfahren?
  • 140. Sieht die Bundesregierung in der Website der Amadeu Antonio Stiftung (www.amadeu-antonio-stiftung.de/) eine parteipolitische Tendenz, und wenn ja, wie beurteilt sie diese Tendenz vor dem Erfordernis der parteipolitischen Neutralität?
  • 141. Nimmt nach Einschätzung der Bundesregierung die Amadeu Antonio Stiftung oder seine rechtlichen Vertreter aktiv an Wahlkämpfen teil oder ruft zur Wahl bestimmter Parteien auf?
  • 142. War die Amadeu Antonio Stiftung nach Erkenntnissen der Bundesregierung in der Vergangenheit an politischen Kampagnen beteiligt, und wenn ja, welche?
  • 143. Wie wird sichergestellt, dass die Aktivitäten der Amadeu Antonio Stiftung nicht gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot verstoßen?
  • 144. Gibt es Belege dafür, dass die Amadeu Antonio Stiftung einseitige Narrative in politischen Debatten fördert, und wenn ja, welche?
  • 145. Wie beeinflusst die Amadeu Antonio Stiftung die mediale Berichterstattung über politische Themen?
  • 146. Gibt es nach Erkenntnissen der Bundesregierung wissenschaftliche Studien, die den Einfluss der Amadeu Antonio Stiftung auf die öffentliche Meinungsbildung untersuchen?
  • 147. Werden von der Amadeu Antonio Stiftung gezielt politische Gegner diskreditiert oder diffamiert, wenn ja, welche und wie beurteilt die Bundesregierung dies vor dem Hintergrund der Förderung?
  • 148. Haben die Kampagnen der Amadeu Antonio Stiftung nach Einschätzung der Bundesregierung direkte Auswirkungen auf Wahlergebnisse oder politische Entscheidungen?
  • 149. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Stellungnahmen von Staatsrechtlern, die die Aktivitäten der Amadeu Antonio Stiftung im Hinblick auf das Neutralitätsgebot bewerten?
  • 150. Sind nach Auffassung der Bundesregierung die politischen Aktivitäten der Amadeu Antonio Stiftung mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Chancengleichheit der Parteien vereinbar?
  • 151. Welche Unterschiede bestehen zwischen der Amadeu Antonio Stiftung und klassischen Wohltätigkeitsorganisationen wie dem Roten Kreuz oder den Tafeln?
  • 152. Hat sich die Amadeu Antonio Stiftung nach Kenntnis der Bundesregierung in der Vergangenheit Kritik an seiner Gemeinnützigkeit ausgesetzt gesehen, und wenn ja erfolgreich gegen Kritik gewehrt?”
Amadeu Antonio – Porträt eines Mannes, der von Rechtsextremisten zu Tode geprügelt wurde, auf der Internetseite der nach ihm benannten Stiftung. Quelle: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/ueber-uns/amadeu-antonio / Screenshot: 26.02.2025
Amadeu Antonio – Porträt eines Mannes, der von Rechtsextremisten zu Tode geprügelt wurde, auf der Internetseite der nach ihm benannten Stiftung. Quelle: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/ueber-uns/amadeu-antonio / Screenshot: 26.02.2025

Die Stiftung ist nach Amadeu Antonio benannt. Anlässlich seines 30. Todestags informierte Brandenburgs Sozialministerium: „Vor dreißig Jahren, am 6. Dezember 1990, starb Amadeu Antonio an den Folgen eines rassistischen Überfalls in Eberswalde.” Brandenburgs Integrationsbeauftrage Dr. Doris Lemmermeier: „So viel ich über diese schreckliche Tat gelesen habe, so oft ich versucht habe, zu begreifen, wie so etwas sein kann, so wenig ist es mir gelungen. Es ist und bleibt unfassbar. Was tröstet, ist das, was daraus entstanden ist: die Amadeu Antonio Stiftung engagiert sich bundesweit gegen Rechtsextremismus und Gewalt und hält die Erinnerung an Amadeu Antonio wach.”

Das brandenburgische Innenministerium bewirbt eine Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung: „Menschenwürde online verteidigen – 33 Social Media Tipps für die Zivilgesellschaft”. Auf der Internetseite des Ministeriums wird die überarbeitete Auflage aus dem Jahr 2020 vorgestellt – damals war der CDU-Politiker Michael Stübgen in Brandenburg Innenminister.

Brandenburgs Innenministerium stellt eine Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung aus dem Jahr 2020 vor – damals war der CDU-Politiker Michael Stübgen Innenminister. Quelle: https://mik.brandenburg.de/mik/de/service/publikationen/detail/~31-12-2020-amadeu-antonio-stiftung-menschenwuerde-online-verteidigen-33-social-media-tipps-fuer-di# / Screenshot: 26.02.2025
Brandenburgs Innenministerium stellt eine Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung aus dem Jahr 2020 vor – damals war der CDU-Politiker Michael Stübgen Innenminister. Quelle: https://mik.brandenburg.de/mik/de/service/publikationen/detail/~31–12-2020-amadeu-antonio-stiftung-menschenwuerde-online-verteidigen-33-social-media-tipps-fuer-di# / Screenshot: 26.02.2025

Während die Amadeu-Antonio-Stiftung nach dem Todesopfer rechter Gewalt benannt ist, hat sich die Konrad-Adenauer-Stiftung nach dem ersten deutschen Bundeskanzler benannt – dem CDU-Politiker Konrad Adenauer. Sie schreibt in ihrer Selbstdarstellung im Internet: „Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist ein eingetragener Verein, der ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt.” Und: „Mit dem Internetwettbewerb ‚denkt@g’ unter Schirmherrschaft des Stiftungsvorsitzenden Norbert Lammert werden junge Menschen dazu aufgerufen, sich mit der Erinnerung an Shoa und NS-Diktatur, aber auch mit aktuellen Fragen von Antisemitismus,  Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auseinanderzusetzen.“

Die Konrad-Adenauer-Stiftung beschäftigt sich auch mit Parteien, jedenfalls mit der AfD: „Im Jahr 2024 konnte die Alternative für Deutschland (AfD) mehrere Wahlerfolge auf kommunaler, Landes- und europäischer Ebene vorweisen. Daran haben auch die zahlreichen Skandale, rechtsextremistische Tendenzen und juristische Auseinandersetzungen im Umfeld der Partei wenig geändert.” 

Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung beschäftigt sich mit „Skandalen, Wahlerfolgen und Gerichtsurteilen” der AfD. Quelle: https://www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/between-scandals-election-successes-and-court-judgements-the-afd-in-2024 / Screenshot: 26.02.2025

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine 22-seitige Analyse herausgebracht: „Zwischen Skandalen, Wahlerfolgen und Gerichtsurteilen – Die AfD im Jahr 2024”. Darin geht es in einem Kapitel um „Verbindungen zum Rechtsextremismus”. Darin heißt es: „Darüber hinaus haben Recherchen von Correctiv zahlreiche Mandatsträger der AfD auf verschiedenen Ebenen – von der Kommunalpolitik bis im Bundestag – ergeben, die entweder verurteilt worden sind oder bei denen Verfahren laufen. ‚Bei den Fällen geht es teils um brutale körperliche Angriffe, teils verbale Gewalt wie Beleidigungen oder Volksverhetzung und indirekte Gewalt wie Beihilfe, Waffenbesitz oder Missbrauch des Gewaltmonopols qua Amt.’ ”

Wer ist „Correctiv”, auf deren oder dessen Recherchen die Konrad-Adenauer-Stiftung Bezug nimmt? In der Selbstdarstellung von Correctiv steht: „Correctiv ist ein gemeinwohlorientiertes Medienhaus, das Demokratie stärkt. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.”

So geriet das Recherche-Netzwerk Correctiv ins Visier von CDU und CSU

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat „Correctiv” in ihrer „Kleinen Anfrage” mit 34 Fragen bedacht. Mit Frage Nummer 11 geht es los: „Erfüllt die CORRECTIV gGmbH aus Sicht der Bundesregierung ausschließlich gemeinnützige Zwecke gemäß der Abgabenordnung (§ 52 AO), und wenn ja, welche?”

Auch Correctiv hat sich bei „Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion” offenbar unbeliebt gemacht. Darauf deutet insbesondere die Frage mit der Nummer 39 hin: „Kennt die Bundesregierung den Correctiv-Artikel ‚Die Rechtstreiber der CDU’ (https://correctiv.org/aktuelles/parteien/2025/02/11/die-rechtstreiber-welche-hardliner-die-cdu-nach-rechts-ziehen/), und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diesen Artikel vor dem Hintergrund des gemeinnützigkeitsrechtlichen Neutralitätsgebots?”

In dem Text schreibt Correctiv: „Die CDU rückt nach rechts – und das seit lange vor dem Attentat in Aschaffenburg. Einige Wirtschaftslobbyisten und Denkfabriken untergraben aktiv die Brandmauer.” Und: „Nach Informationen von Correctiv treibt ein bestimmter Kreis von Personen den Rechtsruck der Partei voran: aggressiv, Social-Media-affin, im Ton der AfD nahe – und überwiegend recht jung. Sie sind bestens vernetzt und agieren nicht direkt aus der Partei, sondern aus einem Schnittbereich von Parteinähe, Lobby und Thinktanks. Gerne hätte Correctiv von Merz erfahren, wie er dies bewertet. Aber die Pressestelle des CDU-Vorsitzenden antwortete nicht auf die Anfragen hierzu.”

Diese Vereine und Gesellschaften haben CDU und CSU im Visier

Neben der Amadeu-Antonio-Stiftung und Correctiv befragt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Bundesregierung zu den „Omas gegen Rechts Deutschland”, zu „Campact”, zum „Attac Trägerverein”, zu „Peta Deutschland”, zu „Animal Rights Watch”, zu „Foodwatch”, zum „Dezernat Zukunft”, zur „Deutschen Umwelthilfe”, zu „Agora Agrar”, zu „Agora Energiewende”, zu „Greenpeace”, zum „BUND”, zum „Netzwerk Recherche”, zum Verein „Neue deutsche Medienmacher*innen” und zu „Delta1″. 

Die Tierschutzorganisation „Peta” hat am 26. Februar 2025 mit folgender Stellungnahme reagiert: „Peta ist eine Tierschutzorganisation, die sich für die Rechte der Tiere einsetzt. Die Organisation betreibt keine Parteipolitik, sie hat sich vor den Wahlen nicht an den Protesten gegen irgendwelche Parteien beteiligt oder dazu aufgerufen. Wir erhalten auch keine Zuwendungen aus staatlichen Programmen oder Fördertöpfen. Dass Peta dennoch in der Kleinen Anfrage der Union genannt ist, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass wir in der Vergangenheit an zahlreichen Parteien scharfe Kritik wegen ihrer Versäumnisse in der Tierschutzpolitik geübt haben. Da für die Union und andere Parteien etliche tierhaltende Landwirt:innen und Jäger:innen in den Parlamenten sitzen, dürfte ihnen die Kritik von Peta ganz besonders ein Dorn im Auge sein. Wir werden uns durch den Vorstoß der Union nicht einschüchtern lassen, sondern weiterhin Versäumnisse der Parteien in der Tierschutzpolitik kritisieren.

CDU und CSU haben auch parteinahe Stiftungen im Blick

CDU und CSU werfen bezüglich der Vereine und Gesellschaften die Frage auf, ob es „Kooperationen” mit „parteinahen Stiftungen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Desiderius-Erasmus-Stiftung” gebe. 

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung gilt als Verein, welcher der Partei „Die Linke” nahesteht. Die Heinrich-Böll-Stiftung gilt als Verein, welcher der Partei „Die Grünen” nahesteht. Die Friedrich-Ebert-Stiftung gilt als Verein, welcher der Partei SPD nahesteht. Und die Desiderius-Erasmus-Stiftung gilt als Verein, welcher der AfD nahesteht.

So, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung als Verein gilt, welcher der CDU nahesteht. Die Konrad-Adenauer-Stiftung wird in der „Kleinen Anfrage” von CDU und CSU nicht thematisiert. Auch nach der Friedrich-Naumann-Stiftung, die als FDP-nah gilt, fragen Merz und Dobrindt nicht.

Die Kontakte der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung

Die Frage 24 aus der „Kleinen Anfrage” von CDU und CSU lautet: „Gibt es Kooperationen zwischen der Correctiv gGmbH und parteinahen Stiftungen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Desiderius-Erasmus-Stiftung?”

Es gibt oder gab zumindest eine Kooperation zwischen der Konrad-Adenauer-Stiftung und Correctiv, wie auf der Stiftungsseite zu lesen ist: „Im Rahmen des Adenauer Fellowships for Media and Communication können sich ab sofort asiatische Investigativ-Journalisten um einen Praktikumsplatz beim Investigativ-Recherchenetzwerk Correctiv bewerben.”

Die Konrad-Adenauer-Stiftung, die als CDU-nah gilt, hat "im Rahmen des Adenauer Fellowships for Media and Communications" einen Praktikumsplatz "beim Investigativ Recherchenetzwerk Correctiv" angeboten. Quelle: https://www.kas.de/de/web/indien/publikationen/einzeltitel/-/content/praktikum-beim-investigativ-recherchenetzwerk-correctiv / Screenshot: 26.02.2025
Die Konrad-Adenauer-Stiftung, die als CDU-nah gilt, hat „im Rahmen des Adenauer Fellowships for Media and Communications” einen Praktikumsplatz „beim Investigativ Recherchenetzwerk Correctiv” angeboten. Quelle: https://www.kas.de/de/web/indien/publikationen/einzeltitel/-/content/praktikum-beim-investigativ-recherchenetzwerk-correctiv / Screenshot: 26.02.2025

Es folgt die Frage 465 von Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion: „Gibt es Kooperationen zwischen dem Netzwerk Recherche e. V. und parteinahen Stiftungen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Desiderius-Erasmus-Stiftung?”

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat den damaligen Vorsitzenden des „Netzwerks Recherche” Dr. Thomas Leif zu einer „Fachkonferenz” zur „Parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat” eingeladen.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung, die als CDU-nah gilt, hat den damaligen Vorsitzenden des "Netzwerks Recherche" zu einer Fachtagung eingeladen. Quelle: https://www.kas.de/de/kurzum/detail/-/content/parlamentarische-kontrolle-der-nachrichtendienste-im-demokratischen-rechtsstaat1 / Screenshot: 26.02.2025
Die Konrad-Adenauer-Stiftung, die als CDU-nah gilt, hat den damaligen Vorsitzenden des „Netzwerks Recherche” zu einer Fachtagung eingeladen. Quelle: https://www.kas.de/de/kurzum/detail/-/content/parlamentarische-kontrolle-der-nachrichtendienste-im-demokratischen-rechtsstaat1 / Screenshot: 26.02.2025

Aus der Ankündigung dieser Fachtagung geht eine „Zusammenarbeit mit dem Vorstandsmitglied der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Norbert Röttgen MdB” hervor – einem CDU-Politiker. Insofern muss die Bundesregierung womöglich die Frage 459 der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit „Ja” beantworten: „Gibt es direkte Verbindungen zwischen dem Netzwerk Recherche e. V. und […] politischen Akteuren?”

CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung finanziert sich aus öffentlichen Zuwendungen

Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist nach eigenen Angaben gemeinnützig: „Auf christlich demokratischer Grundlage verfolgt die Konrad-Adenauer-Stiftung unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Gemeinsam mit Partnern, Freunden und Förderern im In- und Ausland sowie einem engagierten und motivierten Mitarbeiterteam, besteht ihre Hauptaufgabe darin, die freiheitliche Demokratie durch Aktivitäten in Deutschland und weltweit zu fördern.” Und: „Aufgrund der Gemeinnützigkeit der KAS sind alle hier aufgeführten Möglichkeiten der Unterstützung steuerlich absetzbar bzw. begünstigt.”

Weiter informiert die Konrad-Adenauer-Stiftung: „Die Politischen Stiftungen finanzieren sich ganz überwiegend aus Mitteln des Bundes und der Länder. Die Konrad-Adenauer-Stiftung finanziert sich zu 99 % aus öffentlichen Zuwendungen, zu 0,8 % aus Teilnehmergebühren und anderen Einnahmen. Hinzu kommen private Einnahmen (Fondserträge und Spenden) in Höhe von 0,2 % (Stand: Haushalt 2017 der Konrad-Adenauer-Stiftung).”

Muss die Konrad-Adenauer-Stiftung womöglich fürchten, dass ihr die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, wenn Friedrich Merz Bundeskanzler wird? Weil sie mit „Correctiv” kooperiert und einen „Netzwerk Recherche”-Vorsitzenden für eine Fachtagung verpflichtet hat? Oder weil sie sich „parteipolitisch” gegen die AfD „betätigt” hat?

Die Stiftung scheint durchaus vorbereitet zu sein: „Da die öffentliche Finanzierung der Konrad-Adenauer-Stiftung dauerhaft nicht gesichert ist, bedürfen Projekte und Programme der Stiftung zunehmend ergänzender privater Unterstützung und Förderung.”

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