Deutschland. „Eine solide Haushaltspolitik ist auch ein Gebot der Generationengerechtigkeit, denn Schulden belasten unsere Kinder und Enkel.” So stand es im „Politikwechsel für Deutschland”-Programm von CDU und CSU bei der Bundestagswahl. Das bedeutet für die Union: „An der grundgesetzlichen Schuldenbremse festhalten.”
Die C‑Parteien begründeten die Schuldenbremse gegenüber den Wählerinnen und Wählern so: „Sie stellt sicher, dass Lasten nicht unseren Kindern und Enkeln aufgebürdet werden. Sie verpflichtet die Politik, mit den Einnahmen auszukommen, die für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zur Verfügung stehen, und sichert so die dauerhafte Tragfähigkeit des Bundeshaushalts. Auch in Krisenzeiten hat sie ihre Funktionsfähigkeit und Flexibilität bewiesen.”

Diese Schuldenbremse soll noch flexibler werden – so flexibel, das ein Schulden bremsender Effekt praktisch nicht mehr zu erkennen ist.
Nach der Bundestagswahl sind keine zwei Wochen vergangen, ehe der CDU-Vorsitzende von dem überrascht wurde, was andere Parteien schon im Wahlkampf kommen sahen: „Schneller als wir noch vor einer Woche ahnen konnten, haben sich die Rahmenbedingungen für Deutschland noch einmal verändert”, lässt Friedrich Merz auf der Partei-Homepage wissen.
Was planen CDU, CSU und SPD?
„CDU, CSU und SPD wollen dazu noch im alten Bundestag einen Antrag auf Änderung des Grundgesetzes einbringen”, informiert die CDU. „Darin soll geregelt werden, ‚dass die notwendigen Verteidigungsausgaben des Bundeshaushaltes, die oberhalb eines Betrages liegen, der ein Prozent unseres BIP entspricht, von den Beschränkungen der Schuldengrenze freigestellt werden’.”
Das Kürzel BIP steht für Bruttoinlandsprodukt. „Das BIP zeigt an, wie viel in einem Land in einem bestimmten Zeitraum wirtschaftlich geleistet wurde”, erklärt das Statistische Bundesamt. „Die Veränderungsrate des preisbereinigten BIP” drücke „die wirtschaftliche Entwicklung aus und wird auch als Wirtschaftswachstum bezeichnet”. Das BIP sei damit „die wichtigste Größe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung”.
Das Bruttoinlandsprodukt betrug laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2024 4.305,3 Milliarden Euro. Ausgeschrieben sind das 4.305.300.000.000 Euro.

Wenn „Verteidigungsausgaben” nur noch in Höhe von einem Prozent des BIP der Schuldengrenze unterliegen, wie es CDU, CSU und SPD anstreben, dann entspricht das – mit den Werten des Jahres 2024 gerechnet – einer Summe von rund 43,3 Milliarden Euro.
Zum Vergleich: Der Verteidigungshaushalt 2024 hatte laut Bundesverteidigungsministerium ein Volumen von 51,95 Milliarden Euro. Hätte damals schon die nun angestrebte Ausnahmeregelung bezüglich der Schuldenbremse gegolten, so hätten rechnerisch knapp 9 Milliarden Euro der Summe außerhalb der Schuldenbeschränkung aufgenommen werden können. Damit hätten knapp 9 Milliarden Euro im Wirkungsbereich der Schuldenbremse für andere Zwecke bereitgestanden.
Falls „Verteidigungsausgaben” ab einer Höhe von einem Prozent des Bruttoninlandsprodukts nicht mehr der Schuldenbremse unterlägen, hieße das also für die künftige Bundesregierung: Sie gewinnt nicht nur die Möglichkeit, unbegrenzt in Militär zu investieren, sondern auch zusätzlichen Investitionsspielraum im Bundeshaushalt.
Zudem stellt sich die Frage, wie „Verteidigungsausgaben” definiert sind. Könnte darunter auch die Sanierung maroder Brücken fallen, damit Panzer drüberrollen können?
„Zur Sanierung und zum Ausbau der Infrastruktur” wollen Union und SPD – zusätzlich zu den Verteidigungsausgaben – ein „kreditfinanziertes Sofortprogramm” in einem Volumen von 500 Milliarden Euro auflegen, wie die CDU berichtet. Finanziert werden sollen demnach „insbesondere Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs‑, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung“. Weiter heißt es: „Die Summe soll in den Jahren 2025 bis 2034 bereitgestellt werden.
Das würde bedeuten, dass sich die Bundesrepublik Deutschland bis 2034 um weitere 500 Milliarden Euro verschulden kann – zusätzlich zu den Schulden, die jedes Jahr mit den Schuldenbremsen-Regelungen gemacht werden dürfen.
Welche Neuverschuldung plante der Bundestag für das Jahr 2024?
Zur Einordnung: Im Bundeshaushalt 2024 plante der Bundestag – Stand: 2. Februar 2024 – Ausgaben in einer Höhe von 476,81 Milliarden Euro, wie das Parlament auf seiner Internetseite berichtet. „Die Neuverschuldung für 2024 betrug im Regierungsentwurf 16,56 Milliarden Euro, der Haushaltsausschuss erhöhte sie auf 39,03 Milliarden Euro, was der maximal zulässigen Nettokreditaufnahme entspricht (2023: 27,41 Milliarden Euro).”
Das heißt, alleine durch das geplante 500-Milliarden-Sofortprogramm für die Infrastruktur würde sich die jährliche Schuldenaufnahme durchschnittlich mehr als verdoppeln. Und dann kämen noch die unbeschränkten Verteidigungsausgaben hinzu.
Wie hoch sind die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden?
Das Statistische Bundesamt hat am 19. Dezember 2024 über die Schuldenstände der öffentlichen Haushalte informiert – also die Schuldenstände des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Demnach erreichte der „vorläufige Schuldenstand” des Bundes zum 30.09.2024 eine Summe von 1.719.104 Millionen Euro. Als Ziffer ausgeschrieben sind das 1.719.104.000.000 Euro.
Hinzu kamen 606.086 Millionen Euro der Bundesländer sowie 163.360 Millionen Euro der Gemeinden und Gemeindeverbände. Insgesamt sind das Schulden in Höhe von 2.488.550 Millionen Euro. Als Ziffer ausgeschrieben: 2.488.550.000.000 Euro. Pro Einwohner gerechnet ergab das laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich 29.457 Euro – das ist die Pro-Kopf-Verschuldung.
Vorläufiger Schuldenstand des Öffentlichen Gesamthaushalts am 30.09.2024
Körperschaftsgruppe | Insgesamt (in Millionen €) | Pro Einwohner (in €) |
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Insgesamt | 2.488.550 | 29.457 |
Bund | 1.719.104 | 20.349 |
Länder | 606.086 | 7.174 |
Gemeinden/ Gemeindeverbände | 163.360 | 2.091 |
Zur Erläuterung: Schuldenstände einschließlich Extrahaushalte; Stand der Berechnungen: 19. Dezember 2024; Quelle: Statistisches Bundesamt |
Wie könnte sich der Schuldenstand des Bundes bis 2034 erhöhen?
Die Neuverschuldungs-Pläne von CDU, CSU und SPD können sich bis zum Jahr 2034 unterschiedlich auf den Bundeshaushalt auswirken. Das hängt unter anderem von der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, also von der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland ab. Das hängt aber insbesondere auch davon ab, wie hoch die Verteidigungsausgaben letztlich ausfallen.
Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts würden sich – mit dem BIP von 2024 gerechnet – auf 86,6 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. 43,3 Milliarden Euro davon wären außerhalb des Wirkungsbereichs der Schuldenbremse.
Die Verteidigungsausgaben könnten aber auch auf 3,5 Prozent des BIP erhöht werden – diese Zahl fiel zumindest im Bundestagswahlkampf. Dann wären das zusätzliche Schulden von 108,25 Milliarden Euro pro Jahr. Es entstünden also pro Jahr mehr an zusätzlichen Schulden als das bisherige „Sondervermögen” für die Bundeswehr (100.000 Euro) insgesamt an Finanzierungsspielraum bietet.
Es folgt eine Beispielrechnung für den Zeitraum bis 2034 unter folgenden Annahmen (siehe auch „Szenario 1” in der folgenden Tabelle):
- Es werden 500 Milliarden Euro neue Schulden für Infrastruktur aufgenommen,
- es werden in jedem Jahr 43,3 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr aufgenommen (was Gesamtausgaben für die Verteidigung in Höhe von 2 Prozent des BIP 2024 entspräche) und
- es werden jährlich innerhalb der Schuldenbremse-Regelungen rund 40 Milliarden Euro an neuen Schulden aufgenommen (wie schon für 2024 geplant).
Das ergäbe – über den sprichwörtlichen Daumen gerechnet – neue Schulden in Höhe von 130 Milliarden Euro pro Jahr, also ungefähr 1300 Milliarden Euro in zehn Jahren. Und das zusätzlich zu den bestehenden Schulden des Bundes in Höhe von 1719 Milliarden Euro.
Schulden-Prognosen für den Bundeshaushalt 2034 in Millionen Euro
Szenario 1 (Verteidigungs- ausgaben in Höhe von 2 % des BIP pro Jahr) | Szenario 2 (Verteidigungs- ausgaben in Höhe von 3 % des BIP pro Jahr) | Szenario 3 (Verteidigungs- ausgaben in Höhe von 3,5 % des BIP pro Jahr) |
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Schulden zum 19.12.2024 (vorläufiger Stand) | 1.719.104 | 1.719.104 | 1.719.104 |
Sofortprogramm Infrastrutkur | 500.000 | 500.000 | 500.000 |
Neuverschuldung (im Rahmen der Schuldenbremse) | 400.000 | 400.000 | 400.000 |
Verteidigungsausgaben | 433.000 | 866.000 | 1.082.500 |
SUMME | 3.052.104 | 3.485.104 | 3.701.604 |
Zur Erläuterung: Quelle für Schuldenstand 2024 – Statistisches Bundesamt; Annahme für jährliche Neuverschuldung im Rahmen der Schuldenbremse – Haushalt 2024; Sofortprogramm Infrastruktur – Pläne von CDU, CSU und SPD; Verteidigungsausgaben – Szenarien zu Plänen von CDU, CSU und SPD; Bruttoinlandsprodukt – Wert von 2024. |
Wie hoch könnte die Pro-Kopf-Verschuldung anwachsen?
Zum Jahresende 2024 lebten in Deutschland knapp 83,6 Millionen Menschen, wie das Statistische Bundesamt am 23. Januar 2025 mitgeteilt hat. Bei gleich bleibender Einwohnerzahl würde bei jährlichen Verteidigungsausgaben im Volumen von 2 Prozent des BIP (Szenario 1 in der obigen Tabelle) im Jahr 2034 eine Pro-Kopf-Verschuldung von 36.508 Euro herauskommen. Ohne die Schulden von Bundesländern und Gemeinden gerechnet!
Das heißt, ein Baby das im Jahr 2034 in Deutschland zur Welt käme, würde alleine aufgrund der Schulden auf Bundesebene rechnerisch betrachtet mit einer Belastung von 36.508 Euro ins Leben starten. Falls pro Jahr sogar 3,5 Prozent des BIP für die Verteidigung ausgegeben würden, könnten es sogar 44.277 Euro werden.
Soviel zu den „Lasten”, welche CDU und CSU im Bundestagswahlkampf „nicht unseren Kindern und Enkeln” aufbürden wollten.
Abschließend noch zur Erinnerung: US-Präsident Donald Trump hatte bezüglich der NATO-Staaten, zu denen Deutschland zählt, Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent des BIP als angemessen veranschlagt, wie unter anderem die ARD-Tagesschau berichtete. Mit dem BIP des Jahres 2024 gerechnet, wären das 216,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Nochmal zur Einordnung: Der Bundestag hatte für das Haushaltsjahr 2024 Ausgaben in Höhe von etwas mehr als 476 Milliarden geplant. Wenn in Deutschland also ein Verteidigungsetat in Höhe von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beschlossen würde, dann entspräche das auf bisherige Bundeshaushalte bezogen fast der Hälfte der Ausgaben.